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Kompositionen des niederländischen De Stijl oder des russischen Konstruktivismus der 1910/20er
Jahre, in seiner malerisch-flächigen Auffassung an Bilder Mondrians, van Doesburgs oder Malewitschs und El
Lissitzkys erinnert. Auch Gerrit T. Rietvelds Haus Schröder von 1924 mit seinen unruhig versetzten
Farbfeldern stand Modell. Die Fülle der gestalterischen Details verschleiert den klaren und herkömmlichen
Grundriss auch wenn die weißen Streifen als Umrandung der einzelnen Wohnungen auf die Innenstruktur verweisen.
Beidseitig einer mittleren Erschließungsspur mit großzügiger Eingangshalle und elliptischem Treppenhaus erstrecken
sich die Wohnungen - meist Maisonetten - zwischen beiden Fassaden.
Bleiben die Einflüsse hier also in der Fassadenebene, zeigt das Haus Oranienburger Straße 33 vom
Frankfurter Architekturbüro Braun & Voigt eine stark plastische Wirkung. Der Bau löst sich nach oben in sich
durchdringende Quader auf. Er ähnelt damit konstruktivistischen Architekturentwürfen wie den Bauten des in
Russland tätigen Moses J. Ginsburg aus übereinander gestapelten und in sich verschachtelten Baukörpern. Bei
der Hessischen Landesvertretung der Architekten Christl und Bruchhäuser wird dieser Zusammenhang noch deutlicher.
Die heute vermeintliche Fortschrittlichkeit wird hier durch einen weiten Überstand bis zur Spitze getrieben. Die scheinbare Ausreizung des technisch Möglichen und Überwindung der Naturgesetze
wird auch beim „Wolkenriegel“ der Berliner Ruiken und Vetter in Kreuzberg thematisiert. Als direktes, wenn auch bescheidenes Zitat von
El Lissitzkys „Wolkenbügel“-Entwurf von 1924/25 schiebt er sich auf Stahlstützen stehend als einfacher Quader
über die Spree.
Bei all diesen Bauten werden nur Formen des Konstruktivismus verarbeitet. Aufgrund der modernen Tradition
prägen dessen Architekturideale wie Funktionalität, Inszenierung der Konstruktion oder Betonung des Klaren,
Tektonischen und zugleich das Stören tektonischer Sehgewohnheiten dennoch oft die Bauten. Die ursprüngliche
Verbindung von Form und Idee ging jedoch verloren, da beide heute keinen revolutionären Gehalt mehr haben.
Auch diese Bauten sind also Beispiele dafür wie mit historischen Zitaten eine neue Architektursprache
entwickelt wird. Soll mit „klassischem“ Historismus ein alter Zustand wiederhergestellt werden, hilft
dieses Formengut der Klassischen Moderne einen besonders modernen, ja avantgardistischen Eindruck
zu vermitteln. Es soll eine „gute“, da nicht monotone Architektur entstehen. Die Formenübernahme
erfolgt also vordergründig zur Schaffung einer effektvollen Ansicht, um sich von den umgebenden Bauten abzuheben.
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